Halima Gutale bei der Finissage der Darmstädter Demokratie-Ausstellung
"Wir haben alle eine Aufgabe"


Als der Theologe und Soziologe Dr. Jürgen Miksch das erste Mal die „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ in Darmstadt auf die Beine stellte, kam Halima Gutale mit 15 Jahre als unbegleitete Jugendliche in Pfungstadt an – inzwischen ihre zweite Heimat, wie sie heute sagt. Sie berichtet weiter: „Meine Mutter sagte sich damals in Somalia: Dieses Mädchen hat einen eigenen Kopf. Für die ist hier zu leben zu gefährlich“. Und nun steht das Mädchen mit dem eigenen Kopf als selbstbewusste, engagierte vierfache Mutter vor ihrem Publikum in der Ausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“, die mit der Veranstaltung am Samstag, 28.6. zu Ende ging.
Halima Gutale vertritt als Vorstandsprecherin die Darmstädter Stiftung gegen Rassismus und amtiert als Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Pro Asyl, ebenfalls von Dr. Jürgen Miksch mitgegründet. Das alles ehrenamtlich neben ihrem Beruf als langjährige (seit 2014) Integrationsbeauftragte in Pfungstadt. Noch. Denn die Stelle soll gestrichen werden – eines von vielen Indizien dafür, wie sich die politische Stimmung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund (also einem knappen Drittel der deutschen Bevölkerung) verändert hat. Die Verantwortlichen der demokratischen Mitte übernähmen eine menschenverachtende Sprache, sagt Halima Gutale in ihrem Vortrag bei der Finissage im Justus-Liebig-Haus. Menschen mit migrantischen Wurzeln gehe das Sicherheitsgefühl in Deutschland verloren, auch ihr selbst und ihren Kindern.
Mit den Plänen der neuen Bundesregierung, den Familiennachzug für Menschen, die teilweise seit vielen Jahren hier in Deutschland subsidiären Schutz haben, auszusetzen, und mit den an der Grenze praktizierten Zurückweisungen von Flüchtlingen geht sie scharf ins Gericht. Und auch ihre weitere Frage ist berechtigt: Warum drohe gut integrierten Menschen die Abschiebung und warum werde sie vollzogen – wenn doch auf der anderen Seite Deutschland im Ausland Fachkräfte, z.B. für Kranken- und Altenpflege, anwerbe? Die Integrationsbeauftragte Gutale sagt: „Wenn Politikerinnen und Politiker – von wenigen Ausnahmen abgesehen – über Bürgerinnen und Bürgern sprechen, wen meinen sie dann? Sie denken ein Drittel der Bevölkerung dabei nicht mit!“ Das treibe die Spaltung der Gesellschaft voran – die aber doch eine Einwanderungsgesellschaft sei.
Obwohl dies so offensichtlich sei, sind wir, so Gutale, „auf die Integration dieser Menschen nicht gut vorbereitet, denn wir sehen unsere multikulturelle Gesellschaft noch immer eher als Last, statt als Potential.“ Halima Gutale sieht eine Notwendigkeit: „Wir haben alle eine große Aufgabe: Jeder muss mehr Verantwortung übernehmen dafür, wie wir gemeinsam zusammenleben.“ Auch die Menschen, mit Migrationshintergrund müssten lernen, dass ihre Integration in und Teilhabe an der Gesellschaft notwendig und erwünscht sei. Und sie müssten ihre Rechte wahrnehmen. Das gehe nur, wenn auch ihre Sicht der Dinge zur Sprache komme, wenn man ehrliches Interesse aneinander zeige, miteinander rede – und nicht übereinander. So könne man an der Basis Barrieren überwinden, die ein fremder Kulturkreis und eine fremde Sprache setzen. Halima Gutale appellierte an das Publikum, die unterschiedlichen Informationskanäle kennenzulernen und sich über die verschiedenen Perspektiven austauschen. Da ist die Leiterin der Stiftung gegen Rasssismus mit Herkunftsgeschichte aus Somalia eine unermüdliche und beeindruckende Brückenbauerin.
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